Typisch für das filmische Erzählen scheint zunächst der
häufige Wechsel der Perspektive zu sein, der Wechsel von
subjektivem und
auktorialem Erzählen. Der Zuschauer sieht zum einen vom Standpunkt der Kamera aus, wie sich die Figuren an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit verhalten, was sie sagen und wie sie handeln (
auktoriale oder allwissende Kamera). Dadurch hat der Zuschauer den Eindruck, dass ein auktorialer, allwissender Erzähler das Geschehen vermittelt. Auf der anderen Seite wird in vielen Einstellungen der Eindruck vermittelt, das Gezeigte werde von einer Filmfigur gesehen. Der Zuschauer nimmt in diesem Fall die Dinge aus der Sicht dieser Figur wahr. Die Einstellung, die die subjektive Sicht einer Filmfigur vermittelt, nennt man entsprechend
subjektive Sicht und in der englischen Fachsprache
Point of View Shot (abgekürzt POV). Meistens geht einer POV-Einstellung eine sogenannte
Blickeinstellung (engl.
gaze shot) voraus, die eine Person zeigt, die etwas oder jemanden anschaut (engl.
to gaze), das oder der sich außerhalb des Bildes befindet. Nach einem Schnitt folgt dann meist die POV-Einstellung. Die filmische Montagepraxis, die das Ziel hat, die einem Blick oder einer Blickrichtung innewohnende Logik über einen Schnitt hinaus zu gewährleisten, nennt man
Blickachsenanschluss.
Exkurs: Schaut man allerdings genauer hin, ist diese zunächst ganz einfache Unterscheidung von subjektivem und auktorialen Erzählen nicht aufrechtzuerhalten.
Von dem rein physischen Point of View, der nur die eine oberflächliche interne Wahrnehmung einer Filmfigur vermittelt, ist nämlich die
echte interne Perspektive zu unterscheiden. Gemeint ist damit die Visualisierung der Gedanken und Gefühle einer Figur in einer Einstellung. Eine solche Einstellung wird als
Mindscreen bezeichnet. So können in einer Einstellung reale mit imaginären Elementen, Objektives mit Subjektivem verschmelzen. Beispielsweise kann in einem Film eine Figur von außen gezeigt werden, was vordergründig den Eindruck erweckt, hier werde auktorial erzählt (Objektivität). Die Einstellung ist vom Regisseur jedoch so gestaltet worden (vgl.
Mise-en-Scène), dass sie zugleich auch die innere Gefühls- und Gedankenwelt der Figur widerspiegelt (Subjektivität). Eine Einstellung, die eine mentale oder emotionale Subjektivität ausdrückt und dabei kein POV-Shot ist, kann als
Perception Shot bezeichnet werden.
Perception ist hier also sowohl auf äußere Wahrnehmungen wie auch auf innere Selbstwahrnehmungen der Figur zu beziehen. Berühmte Beispiele finden sich in den Filmen Antonionis, Bergmans, Godards oder Tarkowskijs.Eine Extremform subjektiver Kameraführung liegt dann vor, wenn sie durchgehend den Blick des Protagonisten einnimmt (berühmtes und immer wieder angeführtes Beispiel
The Lady in the Lake, 1947). Eine solche Inszenierung ist nur äußerst selten praktiziert worden, da diese Art des Erzählens höchst artifiziell wirkt und sich beim Publikum nicht durchgesetzt hat. Zudem werden dadurch die Möglichkeiten filmischen Erzählens einschränkt.