Visuelles Konzept, Zeit- und Realitätsebenen

Die formale und inhaltliche Struktur eines Films erkennen und beschreiben

Der Film Lola rennt besteht aus verschiedenen Realitäts- und Zeitebenen. Neben der Haupthandlung, die Lola und Manni folgt, gibt es noch fünf weitere Realitätsebenen, die Parallelhandlungen, die Zukunft oder einen Rückblick auf vergangene Ereignisse zeigen. Jede dieser ergänzenden Zeitebenen wurde auf eine ganz bestimmte visuelle Weise umgesetzt. Während nur die Szenen mit Lola und Manni auf 35-mm-Film gedreht wurden, werden alle anderen in Videoaufnahmen gezeigt, die durch den Einsatz von Handkameras leicht verwackelt sind.

In unserem Alltag nehmen wir Zeit linear wahr. Gewesene Ereignisse liegen in der Vergangenheit, jetzt ist die Gegenwart und es folgt die Zukunft. Filme weichen von unserem Zeitkonzept üblicherweise ab, denn nur in sehr wenigen Filmen entspricht die Dauer des Films (die Erzählzeit) der erzählten Zeit, d. h. dem Zeitraum, den die erzählte Geschichte umfasst.

Mit der Einführung von Montagetechniken ab den 1910er Jahren wurde es üblich, das deckungsgleiche Erzählen von Erzählzeit und erzählter Zeit aufzubrechen. Filmemacher begannen, den Zeitfluss zu unterbrechen, indem Sie die Geschichten nicht länger in chronologischer Reihenfolge erzählten, Rückblenden oder Vorausschauen einführten oder mittels Zeitsprüngen Passagen ausließen (Ellipse). Zeit konnte nun außerdem beschleunigt oder gedehnt werden, zum Beispiel durch Zeitraffer oder Zeitlupe, um dramatische Effekte zu erzielen.
Flashbacks im Film sind Rücksprünge in der Erzählzeit. Üblicherweise wird der chronologische Erzählfluss unterbrochen und ein stilistische Mittel zeigt an, dass es sich beim Folgenden um Ereignisse aus der Vergangenheit handelt. Die stilistischen Mittel können verschieden sein. Um kenntlich zu machen, dass es sich um etwas "Altes" handelt, hat es sich zum Beispiel bewährt, Rückblenden in Schwarz-Weiß einzufügen.
Flash-Forwards unterbrechen die aktuelle Handlung und zeigen Ereignisse, die in der Zukunft liegen. Im Vergleich zu den Flashbacks fordert eine Vorausschau dem Zuschauer deutlich mehr an Verstehensarbeit ab, insbesondere wenn Informationen fehlen, anhand derer die Vorausschau gedeutet werden kann.
Eine Animation besteht aus der schnellen Abfolge von Einzelbildern, ähnlich einem Daumenkino. Die Einzelbilder können von Hand oder im Computer gezeichnet, vom Computer berechnet oder fotografisch sein. Die Einzelbilder werden oft so aneinander montiert, dass der Eindruck einer Bewegung entsteht. Um die Illusion einer flüssigen Bewegung zu erreichen, sind pro Filmsekunde etwa 24 einzelne Bilder notwendig, wobei sich das nachfolgende Bild nur geringfügig vom Vorgänger unterscheidet.
Handkameraeinstellungen, bei der die Kamera in der Hand getragen wird, produzieren oft charakteristische, leicht ruckelige Bilder. Weil Handkameras es im Gegensatz zu fest montierten Stativen ermöglichen, flexibel mitten im Geschehen zu filmen, werden sie oft in Dokumentarfilmen eingesetzt. Daher werden Handkamerasequenzen oft mit einem Gefühl von Realismus und Spontaneität verbunden.
Farben im Film erzeugen Stimmungen und lenken die Interpretation einer Einstellung in eine bestimmte Richtung. Farbbilder können aufgrund ihrer Ähnlichkeit zur Realität den Eindruck einer naturalistischen Wiedergabe des Films verstärken. Sie können aber auch symbolische Funktionen übernehmen oder als dramaturgisches Element eingesetzt werden und damit als abstrakte Zeichen Teil der künstlerischen Gestaltung sein.

Die psychologische Wirkung von Farben kann sich auf Assoziationen beziehen, die wir mit bestimmten Vorstellungen verbinden. Sie kann aber auch Gefühle hervorrufen, die vom subjektiven Empfinden des Rezipienten geprägt sind. Assoziationen und Gefühle, die Farben beim Betrachter erzeugen, sind sowohl kulturell bedingt als auch individuell verschieden.

ROT Blut, Leben, Feuer, Zerstörung, Tod, Macht, Krieg, Aggression, Liebe, Verlangen
GELB     Zitrone – Frische; Lebensfreude – Optimismus; Hass, Eifersucht, hell, klar, frei
GRÜN Natur, Wachstum, als Gesichtsfarbe Krankheit, Frieden, Signalfarbe für erlaubt
BLAU Wasser, Himmel, Kälte, Melancholie, Treue, Beständigkeit, passiv, beruhigend
WEISS Unschuld, Reinheit, Medizin, in China Trauer
SCHWARZ Asche, Tod, Trauer, Macht

Aufgabe 1

  1. Unten finden Sie sechs Beispiele für die verschiedenen Ebenen. Charakterisieren Sie in den Schreibfeldern unter den Bildern stichpunktartig, wie die Ebene visuell dargestellt wird und welche Funktion sie erfüllt. Berücksichtigen Sie dabei auch die zeitliche und räumliche Dimension der Ebenen.

Aufgabe 2

  1. Versuchen Sie, die verschiedenen Ebenen von Lola rennt auf dem Zeitstrahl des Films anzuordnen. Generieren Sie dafür die entsprechenden Abschnitte und ziehen Sie sie so kurz oder lang, wie die Sequenz dauert.
Flashback
Animation
Fotostory
Handkamera
Zwischenwelt
  1. Fassen Sie die formale Struktur des Films auf Grundlage Ihrer Ergebnisse aus 2a. schriftlich zusammen.